Die Wurzeln des Weizens

Das BMBF fördert ein neues Projekt zur Erforschung des Wurzelsystems des Winterweizens an der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät mit 1,4 Millionen Euro.

Weizen ist eine der weltweit wichtigsten Nahrungsmittelpflanzen mit der größten Anbaufläche und trägt wesentlich zur Sicherung der Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung bei. Die Food and Agriculture Organisation of the United Nations (FAO) bezifferte die weltweite Weizenproduktion für 2019 auf 763 Millionen Tonnen. Im Vergleich dazu wurden im selben Jahr 512 Millionen Tonnen Reis geerntet. Bis in die 1990er Jahre nahm der Ertrag des Weizens linear zu. Seit Anfang dieses Jahrhunderts stagniert der Ertragszuwachs mit der Folge, dass der Anstieg der Weltbevölkerung in den vergangenen Jahren stärker war als die Zunahme des Weizenertrags.

Bereits 2019 konnten Forschungsteams der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät (AEF) der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) zeigen, dass der Züchtungsfortschritt bei Weizen immer noch zu steigenden Erträgen führen kann. Das lasse den Schluss zu, dass der geringere Ertragszuwachs durch den Anbau auf ungünstigeren Standorten und in einer unvorteilhaften Fruchtfolgekonstellation beeinflusst wird.

In dem neuen Projekt RhizoWheat untersuchen die Forscherinnen und Forscher den Wurzelbereich des Weizens, um die Ursachen des Ertragsrückgangs bei wiederkehrendem Weizenanbau zu identifizieren. Vorherige Ergebnisse zeigen, dass es bei erneutem Weizenanbau am gleichen Standort zu einer Veränderung des Mikrobioms der Rhizosphäre kommt. Die Rhizosphäre ist der Bereich des Bodens, der direkt von der Pflanze beeinflusst wird. Pflanzenwurzeln können Metabolite abgeben, die die Zusammensetzung, Struktur und Funktion der in diesem Bereich lebenden Mikroorganismen beeinflussen. Verändert sich die Zusammensetzung der Mikroorganismen, kann dies wiederum zu einer schlechteren Nährstoffverfügbarkeit für die Pflanze führen.

„In unserem Projekt wollen wir ein besseres Verständnis über den Zusammenhang von Vorfrucht, Umwelteinflüssen und dem Mikrobiom im Boden entwickeln. Dadurch wären Funktionsstörungen des Wurzelsystems und Ertragsrückgänge besser zu erklären und können auch besser vorhergesagt werden“, erklärt Professor Henning Kage, Koordinator des RhizoWheat Projekts und Leiter der Abteilung für Acker- und Pflanzenbau der CAU. „Außerdem“, so Kage, „führen die Untersuchungen des interdisziplinären Verbundprojekts zu einem tieferen Verständnis des Zusammenhangs zwischen Vorfruchteffekten und Ertragsbildung insbesondere bei einer der weltweit wichtigsten Nahrungs- und Futterpflanzen: dem Weizen.“

Neben Kage sind Professor Daguang Cai, Abteilung Molekulare Phytopathologie, und Biotechnologie und Professorin Bahar S. Razavi, Abteilung Boden- und Pflanzenmikrobiom, von der CAU beteiligt. „Wir untersuchen, ob und inwiefern strukturelle Veränderungen des Rhizosphären-Mikrobioms und dessen Diversität, Auswirkungen auf Ertragsrückgänge in Weizen-Selbstfolge haben. Dazu gehört der Einfluss des Rhizosphären-Mikrobioms auf die pflanzliche Genexpression und vor allem die epigenetische Genregulation. Darüber hinaus stellt die Identifizierung potenziell fördernder oder schädlicher Leitmikroorganismen und deren Anwendung zur gezielten Beeinflussung des Mikrobioms ein wichtiges Ziel des Projekts dar. Daher sind die erwarteten Ergebnisse von großer praktischer Relevanz“, so Cai.

„Wir werden schätzen, lokalisieren und identifizieren“, ergänzt Razavi. Zum einen gehe es um die Rhizodeposition des Weizens, das ist die Abgabe organischer Stoffe durch die Wurzeln in den Boden. Zum anderen sind mikrobielle Aktivitäten im Boden sowie die Verbindung zwischen beiden von Interesse für die Teams. „Wir erforschen, ob die Ausscheidungen der Wurzel und die dadurch beeinflussten Mikroorganismen Auswirkungen auf die Nährstoffmobilisierung und ihre Aufnahme durch die Pflanzen haben. Diese Informationen könnten eine verbesserte Nährstoffaufnahme des Weizens ermöglichen und den Ertrag auch bei wiederkehrendem Anbau steigern“, erläutert Professorin Razavi ihre Arbeit am Projekt.

Einblicke ins Wurzelreich

Ein Großteil der Untersuchungen findet auf Hohenschulen, einem der vier Versuchsgüter der Agrar- und Ernährungswissenschaftlichen Fakultät statt. Da die Forschungsteams nicht einfach in den Boden gucken können, um das Wurzelreich, also die Rhizoshäre zu untersuchen, sind neuste Techniken und Methoden erforderlich. Unter anderem kommen Minirhizotrone zum Einsatz. Mit dieser Kombination aus im Boden versenkten Röhren aus Plexiglas und Kameras erfassen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wurzelentwicklung. Zusätzlich werden mit Drohnen Thermal- und Multispektralaufnahmen der Versuchsfelder erstellt. Erstere ermitteln Unterschiede in der Temperatur der einzelnen Weizenparzellen, wodurch Rückschlüsse auf Trockenstress und das unterschiedlich ausgebildete Wurzelsystem gezogen werden können. Mit Multispektralaufnahmen lässt sich bestimmen, wie stark der Stängel und die Blätter der Weizenpflanzen gewachsen sind.

Außerdem kommen Rhizoboxen zum Einsatz. Diese 1,50 Meter tiefen Container werden mit Weizenpflanzen und Erde vom Versuchsgut Hohenschulen gefüllt und ermöglichen die Entwicklung des gesamten Wurzelsystems digital zu messen und darzustellen sowie kleinskalige Proben der Rhizosphäre und des Bodens zu nehmen. In den Containern messen die Forschungsteams mithilfe von markierten Kohlenstoff- und Stickstoffmolekülen den Kohlenstofffluss in der Rhizosphäre sowie die Umsetzung von Kohlenstoff und Stickstoff durch die verschiedenen Mikroorganismen.

Über RhizoWheat

Das auf vier Jahre ausgelegte Projekt wird mit insgesamt 2,7 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Vom Gesamtbudget gehen 1,4 Millionen Euro an die CAU. Das Projekt startete im März 2020 und endet voraussichtlich im Februar 2024. Neben der CAU als Koordinator sind auch das Forschungszentrum Jülich GmbH, der Verein der Zuckerindustrie e.V. und das Julius-Kühn-Institut mit eigenen Teilprojekten beteiligt.
 

Weizenwurzeln
© Bahar Razavi

Mithilfe der Rhizoboxen kann die Entwicklung der Weizenwurzeln genau dokumentiert werden.

 

Farbige Darstellung der Enzymaktivität in einer Weizenwurzel
© Bahar Razavi

Die Zymographie zeigt die räumliche Verteilung der Enzymaktivität in der Rhizosphäre, welche durch Pflanzen und Mikroorganismen entsteht. Rote Bereiche stehen für hohe Enzymaktivität und blaue Bereiche für geringe. Diese Methode wird auch im Projekt RhizoWheat genutzt.

Wissenschaftlicher Kontakt:

Prof. Dr. Henning Kage
Abteilung Acker- und Pflanzenbau
0431/880-3472
kage@pflanzenbau.uni-kiel.de

Pressekontakt:

Dr. Doreen Saggau
Öffentlichkeitsarbeit & wissenschaftliche Kommunikation, Agrar- und Ernährungswissenschaftliche Fakultät